Die Region Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien erlebte ein Ende ihres moderaten Aufwärtstrends, was in erster Linie auf Russlands völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine zurückzuführen ist, der sich auf alle Untersuchungsdimensionen des BTI auswirkte. Mehrere Länder haben indirekte negative Konsequenzen zu spüren bekommen, während andere zumindest wirtschaftlich profitieren konnten. Die Ukraine beweist eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit und erzielte sogar Fortschritte bei der politischen Transformation und Regierungsführung. Währenddessen kämpfen nahezu alle Autokratien der Region mit dem strukturell bedingten Dilemma der Nachfolgeregelung.
Der Krieg hat zu wirtschaftlichen Verwerfungen geführt, wobei die Auswirkungen in der Ukraine am deutlichsten zu spüren sind. Russland sieht sich unterdessen mit noch nie dagewesenen Strafmaßnahmen konfrontiert. Während die Sanktionen kurz- und mittelfristig ihre Wirkung verfehlt haben, steht Russland vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, und seine Wirtschaft wird zunehmend von geopolitischen Faktoren beeinflusst. Während Länder wie Armenien, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan von Moskaus Bemühungen, die westlichen Sanktionen zu umgehen, und der daraus resultierenden kriegs- und mobilisierungsbedingten Auswanderung zahlreicher Bürger wirtschaftlich profitiert haben, steht dies in krassem Gegensatz zu den schweren Rückschlägen, die die Ukraine und indirekt auch die Republik Moldau erlitten haben.
Verschlechterungen im Bereich der Regierungsführung sind vor allem in den Autokratien der Region zu beobachten, in erster Linie in Russland, aber auch in Belarus und Kirgisistan. Motiviert durch die Aussicht auf einen EU-Beitritt, haben die Republik Moldau und die Ukraine Fortschritte gemacht, insbesondere bei der Konsensbildung und der Priorisierung von Reformen. Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen, da viele Länder mit internem Widerstand konfrontiert sind, der durch externe Kräfte angeheizt wird.
Der Krieg wird das Gesicht dieser Region wahrscheinlich für lange Zeit prägen und birgt ein erhebliches Risiko, eine Spaltung innerhalb der Region zu zementieren. Eine Konfrontationsdynamik, die strikte Loyalitäten erfordert, wird die außen- und innenpolitischen Möglichkeiten der Staaten in der Region einschränken. Ob sich die Nachbarländer den russischen Avancen entziehen können - oder wollen - bleibt ungewiss. Diese Ungewissheit wird durch die Tatsache verstärkt, dass eine noch mächtigere Autokratie, China, sich in der Region bemerkbar macht.
Hans-Joachim Spanger
Regionalkoordinator Postsowjetisches Eurasien