Im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika verhärten sich autokratische Regierungsformen. Lediglich ein einziges Land, der Libanon, bleibt demokratisch, weist aber starke Defekte auf. Die übrigen 18 Länder werden autokratisch regiert, einige von ihnen gelten gar als zerfallende Staaten. Die regionalen Durchschnittswerte für Demokratie und die Qualität der Regierungsführung sind so niedrig wie noch nie. Auch in Bezug auf die Wirtschaftsleistung und die sozialen Sicherungssysteme sind die Ergebnisse schlecht. Überall in der Region verschlechtert sich zudem die Qualität der Regierungsführung, und das Militär gewinnt an Macht. Es herrscht eine gewisse Akzeptanz autoritärer Regime, die es Monarchien und Militärregimen ermöglicht, sich zu konsolidieren.
Positive Entwicklungen sind selten und begrenzt. Wenn sie auftreten, dann sind sie das Ergebnis verschiedener kleiner Verbesserungen, die nichts Grundsätzliches am repressiven Charakter der vorherrschenden politischen Systeme zu ändern vermögen. Nur wenige Länder können Fortschritte bei der wirtschaftlichen Transformation verzeichnen. Ansonsten bleiben die ressourcenreichen Golfmonarchien regional führend. Die sich wirtschaftlich verschlechternden Länder haben mit schwierigen strukturellen Einschränkungen zu kämpfen, die durch gravierende Versäumnisse der Regierungen oder fehlgeleitete Prioritäten noch verschärft werden. Mangelnde Geldwertstabilität verschärft bestehende soziale Ungleichheiten und trübt das Geschäftsklima.
Neben den wirtschaftlichen und strukturellen Herausforderungen leidet die Region vor allem unter Widerstand gegen Reformen. Saudi-Arabien trägt maßgeblich zur mangelnden Demokratie in der Region bei und zeigt keinerlei Interesse an der Aussicht auf politische Liberalisierung in seinen Nachbarländern.
Viele Länder setzen eher auf eine schöne Fassade und Marketing unter dem Banner der Modernisierung als auf echten Fortschritt. Dieses Regierungskonzept bietet nicht die notwendigen Lösungen für eine gerechte Machtausübung in der Zukunft. So ausgefeilt und professionell die Präsentationen der Eliteprojekte auch sein mögen, sie werden die notwendigen Veränderungen nicht herbeiführen.
Jan Claudius Völkel
Regionalkoordinator Naher Osten und Nordafrika